Bezirksvertretung Innenstadt diskutiert Verdrängungen

Kundgebung gegen Verdrängung Im Ferkulum im Dezember 2022

Mieterin mit Sohnemann, Andreas Hupke, Kalle Gerigk, Hans Mörtter und Rainer Kippe demonstrieren (v.l.n.r.)

Nicht weniger als drei städtische Beigeordnete hatten ihre Teilnahme an der Januarsitzung der Bezirksvertretung Innenstadt abgesagt. Geladen waren die Dezernenten für Soziales, Bauen und Stadtentwicklung um sich über die „Dramatische Situation in den Häusern Im Ferkulum und Beethovenstraße“ mindestens mal zu informieren. Der Titel der aktuellen Stunde legt bereits nahe, dass es um den Schutz von Mieter*innen vor eklatanten Fehlentwicklungen gehen sollte. Wieder einmal. Wobei der Fall der alleinerziehenden Mutter, die mit ihrem neunjährigen Sohn inzwischen ziemlich verloren in einem kaputtsanierten Haus in der Südstadt leben muss, bereits überregional Schlagzeilen gemacht hatte.

Immer wieder die Südstadt

Zuletzt sprachen Bürgermeister Hupke und Fraktionsvorsitzender Scheffer im Dezember auf einer Kundgebung, die die engagierte Nachbarschaft gemeinsam mit wohnungspolitischen Initiativen vor dem Haus in der Nähe des Chlodwigplatzes angemeldet hatte (siehe Bilder). Auch in der BV-Sitzung haben wir nochmal kritisch darauf hingewiesen, wie oft wir in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit legalen wie illegalen Entmietungen in der unmittelbaren Umgebung aktiv werden mussten. Die Verdrängungen im Kartäuserwall, in der Trajanstraße oder der Karl-Korn-Straße waren offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. Obwohl 2020 eine soziale Erhaltungssatzung über dieses Veedel gelegt wurde, agieren einige Immobilienbesitzer inzwischen wie im wilden Westen. Wie diese Zustände zu befrieden seien, konnte Heike Kerscher als neue Leiterin des Wohnungsamtes nicht zufriedenstellend beantworten. Aber diese ist ja auch erst seit ein paar Tagen im Amt.

Stadt drängt Mieter*innen zum Auszug

Gleichwohl unter Milieuschutz steht gemäß Aufstellungsbeschluss seit vergangenem Jahr das Viertel um den Rathenauplatz (Neustadt Süd-West). Hier ist es nun die Stadt selbst, die über die Bauaufsicht die Bewohner*innen eines Hauses in der Beethovenstraße unmissverständlich aufgefordert hat, ihre Räumlichkeiten zu verlassen. Aufgrund einer fehlenden Baugenehmigung nach Landesbauordnung hat die Verwaltung die „formelle Illegalität“ von 20 Gewerbeeinheiten und Mietwohnungen festgestellt. Die Bewohner*innen wurden per Anhörungsbogen aufgefordert, die Nutzung ihrer Räumlichkeiten „dauerhaft und vollständig einzustellen“. Der amtliche Bescheid, der kurz vor Weihnachten (!) zugestellt wurde, endete mit dem zynischen Hinweis, dass „Sie sich für Fragen im Zusammenhang mit einem Wohnungswechsel an das Amt für Soziales und Senioren, Fachstelle Wohnen […] wenden können“.

Kundgebung gegen Verdrängung Im Ferkulum

Michael Scheffer auf der Kundgebung gegen Verdrängung im Dezember 2022

BV Innenstadt appelliert eindringlich

Während der zuständige Fachbereichsleiter sich in der BV-Sitzung hinter bauordnungsrechtlichen Aspekten und dem Gefahrenabwehrrecht verschanzte, nutzen einige der Mieter*innen und Gewerbetreibenden die aktuelle Stunde, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Unmittelbare Abhilfe schaffen könnten die zuständige Hausverwaltung oder die betagte Eigentümerin; dies läge aber nicht im Wirkungs- oder Möglichkeitsbereich der Bewohner*innen. Die einigermaßen fassungslose Bezirksvertretung appellierte eindringlich an die zuständigen städtischen Stellen, alle zur Verfügung stehenden Spielräume zugunsten der Bewohnerschaft auszuloten und zur Anwendung zu bringen. In einer gemeinsamen Resolution forderte sie eine konstruktive Lösung und „bittet die federführende Fachverwaltung mit allen anderen Dezernaten alles Mögliche zu tun, das weder Mieter noch Gewerbetreibende aus dem Haus ausziehen müssen“.

Michael Scheffer/DIE LINKE. in der BV Innenstadt