Gesundheitsschutz braucht Zeit – und mehr Geld für Schulen!

Seit einigen Tagen formiert sich eine Schulboykott-Bewegung, die angesichts eindeutig mangelndem Gesundheitsschutz in deutschen Schulen fordern, die Wiederaufnahme des Unterrichts weiter auszusetzen. Ausgang nimmt diese Bewegung, in der sich vor allem Schüler*innen, aber auch Lehrkräfte und Eltern versammeln, besonders in NRW. Während für eine „schrittweise und behutsame“ Wiederaufnahme des Schulbetriebs bundesweit der 4. Mai als Startpunkt vereinbart wurde, hat die CDU-FPD-Landesregierung, die sich schon frühzeitig als Vorreiterin im Versuch, die Schulen möglichst schnell und kompromisslos zu öffnen, hervorgetan hatte, festgelegt, dass Schulen hier schon in dieser Woche ihre Türen öffnen werden.

Ab dem 23. April sollen so zunächst alle Schüler*innen der 10. Klassen und Abiturjahrgänge in die Schulen kommen. Damit das mit dem bundesweit gültigen Beschluss vereinbar ist, wird nicht von Unterricht, sondern von betreuter Prüfungsvorbereitung gesprochen, die Anwesenheit ist aber – zumindest für die Schüler*innen der 10. Klassen – verpflichtend. Für eine Gesamtschule bedeutet das, dass sich bis zu 300 Personen im Schulgebäude aufhalten würden. Unklar ist, wie im Schulbus, auf den Fluren, dem Pausenhof und vor allem im Klassenzimmer der Mindestabstand von 1,5 Meter eingehalten werden soll. Viele Lehrkräfte und Schulgemeinden fühlen sich schlecht gewappnet und bei der Organisation möglicher Hygienemaßnahmen auf sich selbst zurückgeworfen, da die Landesregierung zwar einen Muster-Hygieneplan herausgegeben, aber keine Standards gesetzt hat, die eben nur mit erheblicher finanzieller Unterstützung durchzusetzen wären. 

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zeigt sich entsetzt

Seit der Verkündung des Starttermins meldeten bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im immensen Umfang Lehrkräfte, die mit großer Sorge auf den Unterrichtsbeginn blicken und sich selbst, ihre Schüler*innen sowie deren und die eigenen Familien gefährdet sehen. Die GEW sieht den Gesundheitsschutz zum Preis eines schnellen Schulstarts vernachlässigt und wendet sich mit der Petition „Gesundheitsschutz statt Hauruckverfahren – Schulöffnungen brauchen Vorbereitungszeit!“ auf change.org, an die Landesregierung. Binnen weniger Tage haben sich über 28.000 Menschen der Petition angeschlossen. 

Die Verantwortung nach unten zu delegieren und von Schulen unter solch zeitlichem Druck die Erarbeitung von Hygieneplänen und Raumkonzepten zu fordern, ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Unklar ist, ob es am Donnerstag überall genügend Schutzmasken, Seife und Papierhandtücher geben wird, wie Vorkehrungen ergriffen werden können, die die übliche Überfüllung von Schulbusen verhindern und wie dort, wo Personal zur Kostenminimierung an private Firmen outgesourct wurde, die nun viel häufiger und aufwändiger nötigen Reinigungen der Schulen gelingen sollen. 

Den Schulen fehlt es an Geld

Dass an Schulen seit Jahrzehnten gespart wird, rächt sich jetzt in vielfacher Weise. Um den Schulbetrieb überhaupt wieder aufnehmen zu können, wäre die Garantie bestimmter Standards nötig. Würde die Regierung diese aber setzen, müsste sie (wie sich zu einem früheren Zeitpunkt in ähnlicher Weise an der Debatte um eine etwaige Maskenpflicht sehen konnte) auch in der Lage sein, diese Standards umzusetzen. Dafür wiederum wäre aber eine sofortige Bereitstellung immenser Geldsummen von Nöten, die in ein Sofortprogramm für Schulhilfen fließen könnten. Mit diesem Geldfluss aber würden sich auch andere Baustellen und Ansprüche auftun, sodass nicht nur Kitas und Krankenhäuser, sondern Kommunen insgesamt mehr Geld und Personal verlangen könnten. Die Regierung aus CDU und FDP möchte das in jedem Fall vermeiden, um nicht die einzig logische und faire Konsequenz dieser Seite der Krise ziehen zu müssen: die Sonderabgaben für Vermögende und Konzerne sowie höhere Steuern für eben jene. 

Nur scheinbare Sorge und ärmere Familien – Ausweitung der Notbetreuung nötig

Der Landesregierung geht es bei diesem übereilten und kopflosen Verfahren nur scheinbar um die Kinder aus armen Familien, die jetzt in der Tat noch mehr allein gelassen werden also schon zuvor. Tatsächlich ist das vorrangige Ziel, die Kosten des Staates für die Bewältigung der Coronakrise möglichst klein zu halten, um sie, wie üblich, auf die unteren und mittleren Einkommensschichten abwälzen zu können. 

Den Problemen, denen durch das Homeschooling gerade Kinder und Eltern aus alleinerziehenden, ärmeren oder kinderreichen Haushalten besonders gegenüberstehen, muss selbstverständlich dennoch begegnet werden. Auch angesichts der mangelhaften flächendeckenden digitalen Infrastrukturen des schulischen Betriebs hat sich in den letzten Wochen leider gezeigt, dass die Ungleichheit unter der Kinder und Jugendliche lernen, zugenommen hat. Daher ist die Ausweitung der Notbetreuung auf Schüler*innen, die sich Zuhause nicht auf eine gute Lernumgebung verlassen können, ausgeweitet werden. Bisher werden nur diejenigen Kinder und Jugendliche, die vom Jugendamt betreut werden, für die Notbetreuung zugelassen. Da diese nicht häufig in Anspruch genommen wurde, wäre eine weitere Ausweitung möglich, ohne den bisher eingerichteten Rahmen zu sprengen. 

Ganz deutlich und fatal zeigt sich jetzt, wie lange die Digitalisierung der Schulen versäumt wurde und wie nötig eine Aufrüstung – bis hin zur Ausstattung mit eigenen digitalen Endgeräten der Schüler*innen durch das Land – hier ist. Homeschooling wird, unabhängig davon, ab wann Schulen wieder für die meisten Kinder und Jugendlichen geöffnet werden, noch lange eine wichtige Bedeutung zukommen. Dabei darf es nicht vom Einkommen der jeweiligen Eltern abhängen, ob sie aufgrund von Schulschließungen, eingeschränkten Öffnungen oder persönlicher Krankheit am Unterricht teilnehmen können. Auch an dieser Stelle tritt einmal mehr schmerzhaft zu Tage, was von Gewerkschaftsseite und der LINKEN schon lange gefordert wird: die individuelle Förderung gerade leistungsschwächerer Schüler*innen muss verbessert werden, auch um die Verzug durch das Homeschooling wieder aufzuholen. Dafür benötigen Schulen deutlich mehr personelle und räumliche Möglichkeiten.